Eigentlich bin ich von heute. Aber nicht, was mein Auto angeht. Da bin ich von gestern….nein…von vorgestern, um genau zu sein. Mein BMW 750i ist aus dem letzten Jahrtausend und gnadenlos veraltet, ein spritfressender Dinosaurier der nicht einmal Verkehrszeichen lesen kann.
Irgendwann muss ein neues Auto her, und wer mich kennt, weiß, dass ich seit einigen Jahren auf der Suche nach einem würdigen Nachfolger bin, und was könnte ein besserer Ersatz für einen alten 7er sein als ein moderner 7er?
Also begab ich mich in die BMW Niederlassung und fand zu meiner Überraschung eine sehr hilfsbereite Verkäuferin, die mir eine Probefahrt im neuen 7er Facelift organisierte.
Nach drei Wochen Wartezeit war es soweit: ich fuhr in die Niederlassung, und bekam den Schlüssel zu einen nigelnagelneuen 730d mit allen Schikanen in die Hand gedrückt: schwarz metallic, schwarzes Leder, Sportpacket mit 20’ Alus, Shadowline, jeder Menge Fahrassistenz und so weiter und so fort, keine 500km gelaufen.
Für die nächsten zwei Stunden gehört er mir.
Ich bekomme eine kurze Einweisung.
Die Bedienung ist zunächst nicht wirklich intuitiv, aber ich bin heute bereit für Neues. Anlassen per Knopfdruck ist kein Problem, aber der Schaltknüppel, dessen Gestaltung spontan an die Produkte einschlägiger Versandhäuser erinnert, ist…sagen wir mal…gewöhnungsbedürftig.
Eine bequeme Sitzposition finde ich auf Anhieb, die Verstellbereiche von Sitzen und Lenkrad sind unglaublich groß, die Außenspiegel haben fast LKW Ausmaße. Sehr sympathisch, wie auch das griffige Lenkrad, welches sich als sehr leichtgängig erweist.
Das Interieur hat leider nur die einfache Lederausstattung, das Armaturenbrett ist mit Kunstleder bezogen. Die Qualität des Materials entspricht nicht ganz dem Gewohnten, ist aber durchaus wertig.
Vorsichtig manöveriere ich die große Luxuslimousine aus der Parklücke. Eigentlich ist er nur wenige Zentimeter größer als mein Klassiker, aber die Karosserie ist eher unübersichtlich gestaltet, deshalb auch die vielen Kameras.
Nach ein paar Metern schalte ich das Auto auf den “Eco-Pro” Modus und rolle langsam nach Hause. “Eco-Pro” – d.h. ganz besonders sparsam. Da Verbrauch bei meinem Dino ein Thema und wesentliches Argument für ein neues Auto ist, lege ich Wert auf Sparsamkeit.
Der 730d ist leise, den Diesel hört man kaum. Das Nageln beim Kaltstart, welches ich in früheren Modellen fürchten lernte, ist Vergangenheit, genau wie das Turboloch. In der Stadt hat er genügend Punch, selbst im Sparmodus.
Das Fahrwerk ist angesichts der 20’ Felgen überraschend komfortabel.Er lässt sich sehr gut um die Kurven dirigieren, die 8-Gang Automatik schaltet wunderbar sanft und immer korrekt, ich bin begeistert 🙂
Das Totwinkel-Radar warnt mich erfolgreich vor einem Auto, der Spurhalte-Assistant rüttelt sanft am Lenkrad, sobald ich der Nebenspur zu nahe komme. Der Verbrauch pendelt sich bei meiner Sparfahrt bei 6l ein. Das ist schon deutlich mehr als versprochen und erhofft, aber ok, bei einem unbekannten Auto kein Wunder.
Ich spiele mit dem Fahrdynamikschalter, der 5 verschiedene Stufen anbietet: Comfort, mehr Comfort, Sport, mehr Sport, und ECO-Pro. In jedem Modus zeigt der Monitor, der die Instrumente ersetzt, eine andere Grafik an. Am angenehmsten ist die reduzierte Sport Grafik, die Normalstellung hingegen ist der reinste Grafik-Overkill. Es sind so viele Hintergrundgrafiken, Linien und Striche auf dem Display, dass die Lesbarkeit sehr darunter leidet.
Angenehmer ist dagegen der in blau gehaltene ECO-Pro Modus, auch wenn die Power-Anzeige, die den Drehzahlmesser ersetzt, ein wenig arg dynamisch hin und her zuckt, jedenfalls hat die Anzeige mit der Drehzahl wenig zu tun.
Auf einer Landstraße ist schleicht vor mir ein Fahrschul-Fiesta mit 60. Spaßeshalber stell ich den Modus auf “Sport”, trete das Gaspedal durch – und ab geht die Lucie! Der F01 schießt wie von der Tarantel gestochen voran, und ich habe ein fettes Grinsen im Gesicht!
In diesem Moment möchte ich den neuen 7er am liebsten behalten und meine alte Karre nie wieder sehen.
Zuhause angekommen sehe ich mir das Auto in Ruhe an. Er ist schon sehr schick, wie er da auf meiner Einfahrt steht, mit Shadow-Line, Sportpaket und den großen Felgen. Die LED Scheinwerfer sehen total genial aus.
Aufgrund der Kälte begebe ich mich wieder in den Innenraum. Ich koppele mein iPhone erfolgreich mit dem Multimediasystem. Leider ist es nicht möglich, eine Playlist zu wählen, es geht nur vor und zurück, offenbar ist nur das einfache Interface verbau. Das serienmäßige Audio-System ist ok, nicht überragend, aber ok.
Um die Kameras zu testen, rangiere ich auf der Einfahrt hin- und her. Warum beim Surroundview ein silbernes Auto angezeigt wird ist mir egal, es ist schon sehr witzig, seine Einfahrt von oben zu sehen. Weniger witzig ist, dass die Kameras in keiner wirklich logischen Reihenfolge zu schalten sind. Und wenn man versehentlich auf „R“ schaltet, ohne die „Unlock“ Taste zu drücken, kommt statt einer Kameraansicht der Hinweis, doch gefälligst die Bremse zu treten und auf „Unlock zu klicken. Ist der Gang endlich eingelegt, bleibt der Bildschirm nicht selten schwarz, ich weiß in solchen Fällen auch nicht, ob das PDC aktiv ist.
Besser wäre es, wenn es drei Schalter gäbe: vorne einen für die Frontkameras, in der Mitte einen für Surroundview, und hinten einen für die Heckkamera. Und idealerweise ließen sich alle Kameras auch bei der Fahrt einschalten, und nicht nur im Stand.
Wenn ich mir dann ansehe, wie das Auto auf der Einfahrt steht, muss ich feststellen, dass das Surround-View nicht hinreichend präzise ist, und ich mit dem normalen PDC deutlich besser bedient bin. Das Gleiche gilt für die Rückfahr-Kamera: wenn ich dort den Eindruck habe, dass kein Platz mehr hinter mir ist, hab ich noch über einen halben Meter frei. Autos neben mir werden komisch verzerrte dargestellt.
Prädikat: almost completely useless.
Anna ist fertig, wir rollen wieder los, Richtung A7, meiner Haus- und Hof Teststrecke.
Mal ausprobieren, was wirklich in dem kleinen Diesel steckt!
Der Durchzug ist vielversprechend, von 80 auf 120 geht’s rasend schnell, nur….ab 160 km/h geht ihm die Luft aus, und die eben noch vorhandenen Allmachtsphantasien des Fahrers verwandeln sich in bittere Enttäuschung. Es fehlt der Punch, um einen Vertreter-Diesel in die Schranken zu verweisen, der mit 180 vor einem herschleicht. Vermutlich liegt es daran, dass der Reihen-6-Zylinder ein typischer Vertretermotor ist.
Eigentlich kann man auch nicht von einem wirklichen Beschleunigungserlebnis reden, dass Auto wird halt einfach schneller, anfangs mit mehr, später mit weniger Begeisterung. Der Motor ist gut gedämpft, er klingt ein bisschen brummig, aber nicht unbedingt nach Trecker, so wie noch der 530d E60, den ich vor 9 Jahren gefahren bin. Einen Sound hat er allerdings auch nicht.
Und damit fehlt diesem Auto etwas ganz wichtig: die Seele!
Ich erinnere mich an den Jaguar XKR, der sich mit wildem Kompressorgeheul auf den nächsten Gegner stürzte, an die Kreissäge im Porsche 911, den Formel-1 Sound im Maserati Quattroporte oder an den munteren V8 im 645Ci, dessen Zylinder einfach nur „give it to me baby!“ in Endlosschleife sangen.
Der Motor im 730d hingegen möchte seine Existenz am liebsten ganz verleugnen. Sein heimlicher Traum scheint darin zu bestehen, sich in einen Elektromotor zu verwandeln.
Aber das ist nicht wirklich tragisch, schließlich gibt es noch andere Motoren zur Auswahl.
Das wirkliche Problem jedoch ist das Fahrwerk. Ab ca 170 km/h habe ich nämlich – genau wie in meinem E38 – das Gefühl, auf rohen Eiern zu fahren und das Auto nicht wirklich im Griff zu haben – trotz super-duper Dynamikfahrwerk. Natürlich erwarte ich kein Go-Kart-Handling wie in meinem Porsche Boxster S, aber seit ich den Maserati Quattroporte gefahren bin weiß ich, dass es auch deutlich besser geht. Auch der 645Ci wirkte zwar sehr synthetisch, war aber eine Kurvensau, die zum Rasen verführte.
Der F01 hingegen verführt nicht zum Rasen, er ist ein Businessauto, mit dem man bequem mit Tempo 170 lange Strecken zurücklegen kann – auch wenn er auf kurzen Bodenwellen unabhängig vom Fahrmodus eine unangenehme Neigung zum Stuckern entwickelt, die mein E38 nur im Sportmodus zeigt.
Die Bremsen verrichten ihre Aufgabe mit Vehemenz, sind aber leider sehr schlecht zu dosieren.
Nach meiner anfänglichen Euphorie macht sich langsam Enttäuschung breit, ich hätte mir da deutlich mehr Fortschritt erwartet.
Je länger ich mit dem neuen 7er unterwegs bin, umso mehr geht er mir auf die Nerven. Die Armlehne ist zu kurz, so dass ich mich nicht aufstützen und gleichzeitig lenken kann. Anna vermisst einen Griff zum festhalten. Ich auch.
Das Multimediasystem wird mir auf Dauer zur Last. Die Menüs im Navi wirken überladen, es gibt zu viele Optionen – darunter solche mit abschreckenden Titeln wie „Office“ oder „Software-Update“. Nur mit Mühe finde ich die Option zum Eingeben eines Navgationsziels. Dank Splitscreen habe ich zwei Karten nebeneinander, die beide sinnvollerweise das Gleiche anzeigen. Irgendwo soll es eine 3D Ansicht geben, ich finde sie nicht. Manchmal zeigt der Bildschirm auch einfach nur einen Warnhinweis an und bleibt dann eine Weile schwarz.
Es gibt eine Kurzanleitung, eine Langanleitung, und eine Funktion zum Bilder suchen…für was in aller Welt soll ich Bilder suchen? Kann ich damit das Bild der Rückfahrkamera auf Facetube posten? Und warum gibt es einen Bordcomputer und einen Reise-Bordcomputer? Warum kann das nicht alles so einfach wie im Porsche Navi sein? Da gibt es die gleiche Information, bloß sinnvoller aufbereitet.
BMWs Idee eines innovativen Bediensystems scheint darin zu bestehen, die iPod Bedienlogik aus dem Jahr 2004 aufzugreifen, frisch garniert mit 3D-Effekten. Nett in der Theorie, nervtötend im Alltag.
Auch bei den Tachos ist keine Option auf Dauer zufriedenstellend. Es ist zwar alles durchdacht und lieb gemeint, aber es ist einfach zu viel Grafik, zu viele Zahlen: große Zahlen, kleine Zahlen, Geschwindigkeitsbereiche, Zahlen, die mal größer und mal kleiner angezeigt werden, Punkte, die irgendeine Geschwindigkeit oder Zielgeschwindigkeit symbolisieren und Tankuhrzeiger, deren Grafik stark an die Windvorhersage der Tagesschau der 80er Jahre erinnert.
Und sich dann auch noch Gedanken machen zu müssen, welche Einstellung einem am besten gefällt, und ob es vertretbar ist, der Übersichtlichkeit halber trotz Mehrverbrauchs die Sport-Stellung zu wählen? Ich weiß nicht so recht.
Sicher, man kann es abbestellen, aber ich fürchte, es wird in wenigen Jahren zur Standardausstattung eines jeden BMW gehören.
Das Head-up Display, auf das viele schwören, ist in meinen Augen keine Verbesserung. Es blendet mich, es zeigt zu viel Kram an, und es ist auch zu weit weg, ein bisschen so, also wolle man auf seinem Fernseher im Internet surfen. Vielleicht ist es toll für Leute mit Gleitsichtbrille.
Wenn ich die Geschwindigkeit wissen will, guck ich doch immer auf den Tacho. Ich weiß, es lässt sich alles konfigurieren, ich habe das Menü gesehen. Aber wenn ich es wegkonfiguriere, habe ich das Gefühl, mir entgeht etwas. Aber ich will kein Auto, das ich konfigurieren muss und bei dem ich mir Gedanken machen muss, welche Einstellung denn die optimale Lösung ist.
Lästig finde ich auch, dass im Head-up Modus die Navigationshinweise nur noch in der Scheibe, jedoch nicht mehr im Tacho angezeigt werden. Die Sprachausgabe fällt durch ihre Schweigsamkeit auf, weder Sergeant Goofy noch Carin scheinen an Bord zu sein.
Die Speedlimit-Anzeige ist auch nicht so wirklich mein Fall. Auch wenn sie einigermaßen brauchbar zu funktionieren scheint ist sie vollkommen nutzlos, solange der super-intelligente Tempomat nichts davon erfährt und die Geschwindigkeit nicht entsprechend anpasst.
Der aktuelle 7er ist ein Computer auf Rädern, und zwar kein Apple System, sondern eher Windows Vista. Wenn man gewohnt ist, dass man vor sich zwei Monitore auf dem Schreibtisch ist, dann braucht man das nicht unbedingt im Auto. Und wenn das Auto dann auch noch versucht, hilfreich zu sein, dann ist die Verwirrung vorprogrammiert.
Bitte versteht mich nicht falsch: Der F01 ist ein fantastisches Auto, keine Frage. Aber die ganze Elektronik wirkt noch immer unausgereift. Nicht ganz so unausgereift wie im E63, aber immer noch far from perfect.
Am meisten fehlt mir persönlich bei dieser Business-Limousine die Seele. Ein gewisses Grad an Begeisterung, Leidenschaft, Passion. Ich brauch kein Facetube, Gezwitscher hör ich mir lieber von Vögeln an.
Ich will Motorsound, ich will Speed, ich will etwas, das wie ein Brett auf der Straße liegt und Abenteuer, Freiheit und Lebensfreude verspricht. Und keinen Microsoft-BMW, Sonderserie „Techno-Bill’s Choice“ mit integrierter Supernanny.
Schon jetzt vermisse ich meinen alten Zwölfzylinder. Der neue 7er ist ein Gebrauchsgegenstand, aber kein Auto, in das ich mich verlieben könnte.
Kurz vor Ende der Fahrt halten wir an einer Tankstelle, um einige Liter Diesel nachzufüllen – im Schnitt hat er sich 8,5l genehmigt. Das ist natürlich deutlich weniger als das, was mein Fuffi verbraucht, aber eben doch erheblich mehr als die versprochenen 5,4l Normverbrauch. Zwar habe ich die Leistung schon ein wenig ausgereizt, die meisten der knapp 150 zurückgelegten Kilometer aber waren dank Baustelle auf 100 oder gar 80 km/h begrenzt, meist im ECO Pro Modus. Es gibt sogar eine Statistik darüber, wann ich wie lange in welchem Modus gefahren bin, und was ich dabei verbraucht habe – weniger als 5l waren es nie.
An der Zapfsäule spielt mir das Auto noch einen Streich: ich bleibe stehen, Fuß auf der Bremse, der Motor geht aus. Ich bin kurz abgelenkt, mach die Tür auf, geh von der Bremse…rumms, der Motor geht an, die Limousine rollt los. Da der Motor aus war und der Schalthebel keinen schnellen Rückschluss auf den eingelegten Gang gibt, hab ich vergessen, den Motor auch wirklich „aus“ zu machen.
Ohne Bedauern gebe ich den 730d wieder ab.
Die Verkäuferin ist nicht überrascht: sie hatte richtig eingeschätzt, dass ich mit dem kleinen Diesel nicht glücklich werden würde. Wir unterhalten uns eine halbe Stunde über Autos. Sie findet, ein geringer Verbrauch kann bei einem 110k Auto nicht das wesentliche Kaufkriterium sein, ein 6er würde vermutlich besser zu mir passen – am liebsten würde sie mir den M 550d ans Herz legen, aber ich will keinen 5er.
Wir sehen uns das 6er Coupe nochmal an. „Eigentlich willst du keine Limousine, oder?“ fragt mich Anna. Sie hat wohl recht.
Wir verabreden, dass mich die Dame von BMW anruft, wenn sie einen 6er VfW dahaben.
Am Ende steige ich fröhlich in meinen alten Fuffi ein, der mich mit seinem „wrrrrmmmm“ freudig begrüßt. Ein F01 Fahrer würde mein Interieur als „Spuki“ bezeichnen, aber ich finde, gegen den Information-Overkill der Moderne ist das reduzierte Interieur mit den altmodischen Ziffern und dem kleinen Bordmonitor die reinste Erholung.
Einen V12, egal wie alt er auch sein mag, kann man eben nicht so einfach durch einen modernen Diesel ersetzen. Zumindest dann nicht, wenn man einen sehr hohen Anteil Benzin im Blut hat.
E38 forever? Es scheint fast so. Eigentlich bin ich ganz froh darüber, zumal sich Anna nicht vorstellen kann, einen F01 selbst zu fahren. Also spar ich mein Geld lieber und erfreu mich an meinem Altmetall, wohl wissend, dass ich nicht wirklich viel verpasse.